Sissy de Leu - 10. Mai 2015 7:16 Uhr
Was man im Bauch des Wals tun sollte
Zuallererst:
Es ist finster
Du bist gekniffen
wenn du nicht
ein paar Streichhölzer
bei dir hast
& dein Notizbuch:
Schreib ein Gedicht
Lehn dich
gegen seine Rippen
Sie sind rosig & blass
& dein Rückgrat
schmiegt sich
behaglich in ihre Laibung
dass du unwillkürlich
die Beine zur Brust ziehst
& die Knöchel kreuzt
Wenn du summst
summt der Wal
Wenn du dich räusperst
tu es sehr leise
Sonst hustet
der Wal dich
an Land
vor der Zeit
Solche Ideen sprechen mich ja sehr an.
Könnte von mir aus länger sein. Dann würde es nicht so gewollt nach Understatement klingen, was da im Walsonntag passiert.
"Wenn du summst / summt der Wal", finde ich sehr schön.
Herbert Hindringer (Forummitglied) - 13. Mai 2015 21:42 Uhr
Hallo Herbert, danke für deine Rückmeldung! Ich habe ebenfalls das Gefühl, dass zu dem Thema noch eine Menge mehr zu sagen wäre. Herrlich unaufgeregt hat das Dan Albergotti getan. LuV hat letztens einen seiner Texte übersetzt. Ich werde nachfragen, ob er das Ergebnis mit uns teilt.
Außerdem würde ich (die schönen letzten Zeilen deines neuesten Gedichts noch im Ohr) gern lesen, was du aus dem Thema machst...
Sissy de Leu (Forummitglied) - 14. Mai 2015 6:25 Uhr
Dan Albergotti
Was im Bauch des Wals zu tun ist
Vermiss die Wände. Zähle die Rippen. Kerbe die langen Tage ein.
Schau durch den Rachen zum blauen Himmel auf. Mach kleine Feuer
mit geborstenen Rümpfen von Fischkuttern. Übe Rauchsignale.
Rufe alte Freunde an und lausche auf die Echos ferner Stimmen.
Ordne deinen Kalender. Träume vom Strand. Suche in jeder Richtung
nach dem Dämmerglühen von Licht. Erstelle deine Berichte. Überprüfe
alle zehn Millionen Entscheidungen deines Lebens. Ertrage Momente
des Abscheus vor dir selbst. Finde das Zeugnis deiner Vorgänger.
Zerstöre es. Versuche sehr still zu sein, horche nach Antriebsgeräuschen
und fließendem Wasser. Lausche dem Ton deines Herzens.
Sei dankbar hier zu sein, mitsamt aller Hoffnung verschlungen,
wo du ruhen und warten kannst. Sei nostalgisch. Denke an alle
Dinge, die du getan hast und hättest tun können. Vergiss nicht das
Wassertreten mitten im ruhigen Nachtmeer; deine Zehen
zeigen wieder und wieder hinab, hinab in die schwarzen Tiefen.
- 14. Mai 2015 7:03 Uhr
Hallo Sissy, hallo LuV
danke für die Anregung. Ich werde das versuchen bzw. bin gerade schon dabei, ein Walinnenarchitektengedicht zu schreiben. Es ist zu drei Vierteln fertig. Ich habe bisher das Albergotti-Gedicht nicht gelesen, um mich nicht durch dessen Ideen zu dem Thema beeinflussen bzw. auch einschüchtern zu lassen. Jetzt habe ich es doch gelesen und bin eingeschüchtert, aber auch sehr erfreut.
Danke für das Einstellen des Gedichts.
Was hat es mit der Übersetzung auf sich, wird da ein Buchprojekt daraus?
Schöne Grüße
Herbert Hindringer (Forummitglied) - 22. Mai 2015 23:44 Uhr
Hallo Sissy,
eine große schaukelnde Wiege, man kann hier dichten, ein komfortabler Mutterleib. Und ganz pragmatisch sorge man als erstes für Licht, Überlebenswerkzeug.
(Märchenhaft - oder sollte sich das wissenschaftlich erwiesen haben - könnten vielleicht Leuchtgase ...)
Dies Gedicht hat keine Angst, kein Ungeheuer.
Dieser Wal ist ein Ort für Gedichte.
Feine Idee.
- 2. Juni 2015 16:55 Uhr
Merci für die Rückmeldungen!
Sissy de Leu (Forummitglied) - 8. Juni 2015 18:17 Uhr
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